Fast vergessene Kreaturen – Hoffnung für Straßenhunde in Moldawien
„Moldawien, was willst du denn in Moldawien und wo ist das überhaupt?“ …
Diesen Fragen musste sich auch der Essener Texter und Fotograf Olaf Eybe stellen, als er Anfang April in das kleine Land mit drei Mio. Einwohnern zwischen Rumänien und Ukraine reiste. „Ich habe weder mit dem Frauenhandel noch dubiosen Export-Import-Geschäften zu tun, wehrte er gleich die Vorurteile über das Land vor der Schwelle Europas ab.“ Gemeinsam mit Freunden wollte er einfach nur einen weißen Fleck auf seiner Reisekarte beseitigen und Fotos für eine Ausstellung erstellen. Er ahnte nicht, dass auf den oft abenteuerlichen Wegen und Straßen ein Thema auf ihn wartete, dass ihn so schnell nicht loslassen wird …
„Schon auf dem Weg vom Flughafen in die moldawische Hauptstadt Chisinau fielen mir Hunde auf, die im Rudel unterwegs waren“, erinnert sich Olaf Eybe. Bei Gängen durch die Halbmillionenstadt, auf den Landstraßen des von der Landwirtschaft geprägten Armenhaus Europas und auch im Schatten touristischer Ziele, direkt an den Mauern der Festung in Soroca oder in der Nähe des malerisch gelegenen Klosters in Orheiul Vechi, begegneten dem Fotografen dösende oder Futter suchende Hundegruppen. Eybe reiste weiter in das Gebiet Gagausien (ca. 150.000 Einwohner), das über eine weitgehende Autonomie verfügt und in dem drei Amtssprachen (Gagausisch, Rumänisch und Russisch) gesprochen werden. Einen Tag lang hielt er sich nach kafkaesken Einreiseformalitäten in Transnistrien auf, das zwischen 1990 und 1992 im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion durch Sezession von Moldawien entstand. Aber die streunenden Hunde ließen ihn nicht los: „Vielleicht lag es daran, dass zuhause eine Entlebucher Sennenhündin mein Lieblingsmodel ist oder weil ich in diesem Land mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von rund 300 Euro nicht nur frisch renovierte, orthodoxe Kirchen fotografieren wollte.“
Willkommen in der Casa Katharina
Die journalistische Ader des Esseners war geweckt. Mit Hilfe einer engagierten Übersetzerin erkundigte er sich bei der Stadtverwaltung nach einem Tierheim in Chisinau. Nach verschiedenen Telefonaten fiel das Stichwort „Casa Katharina“. Das sei ein Hundeasyl rund 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Nur mit dem Vornamen einer Kontaktperson und einer Telefonnummer machte er sich bei stürmischem Wetter auf den Weg in das Dorf Ciobanovca. Trotz umstürzender Bäume und Dauerregen kam er nach einstündiger Fahrt in den kleinen Ort an und wurde von Natalia Tofan zu einer ehemaligen Gänsefarm gelotst. Dort wurde er herzlich von einigen Zweibeinern und über 300 freudig bellenden Vierbeinern empfangen und sofort zu einer Besichtigungstour eingeladen. Es ging vorbei an geräumigen Freigehegen, dampfenden Riesentöpfen, in denen Hundefutter zubereitet wurde und Gebäuden mit weiteren Gehegen. Schließlich wurde er vom Leiter der „Casa Katharina“, Vasilii Miszak, im frisch renovierten Hauptgebäude empfangen und sah eine kleine, gut ausgestattete Tierklinik. Dort werden verletzte Hunde operiert und vom eigenen Tierarzt Kastrationen durchgeführt oder Hunde geimpft.
Die Tiernothilfe der Casa Katharina
Nach und nach konnte er seine Eindrücke durch Fakten ergänzen, denn in Englisch, Russisch und mit Händen und Füßen erfuhr er, wie es um den Tierschutz in Moldawien bestellt ist. Allein in Chisinau leben schätzungsweise 30.000 herrenlose Hunde. Von Zeit zu Zeit werden sie von Hundefängern mit Stangen, an denen Schlingen befestigt sind, eingefangen und in einen Wagen gepfercht. Anschließend beginnt das wahre Martyrium der Kreaturen, denn die Hundehölle liegt vor den Toren der Hauptstadt. Dort befindet sich ein Todeslager, in dem Hunde erschossen, vergiftet, mit Elektroschock getötet und anschließend in Säure geworfen werden oder einfach so auf der benachbarten Müllhalde landen, wenn sie nicht in letzter Minute gerettet und in der Casa Katharina aufgepäppelt werden. Im Verlauf der Gespräche erfuhr Eybe, wer die Casa Katharina betreibt. Es ist die Tiernothilfe Casa Katharina e.V., die ihren Sitz in Nürnberg hat. Eybe fotografierte Pfleger, Tiere und die Ausstattung des durch Spenden aus Deutschland finanzierten Tierasyls. Die Fotos nahm der Moldawienreisende zusammen mit seinen Eindrücken aus dem unbekannten Land mit nach Essen.
Hilfe zur Selbsthilfe
Kaum in der Heimat setzte er sich mit der Vorsitzenden des Tierschutzvereins in Verbindung. „Eines unserer ganz großen Ziele ist die Aufklärung der Bevölkerung, ihre Tiere kastrieren zu lassen und den Menschen nahe zu bringen, dass auch ein Tier Schmerz, Hunger und Leid empfindet und ein Recht auf ein Leben ohne Angst hat“, erläuterte die 1. Vorsitzende der Tiernothilfe Casa Katharina, Andrea Fischbach. „Die von uns gefundenen Straßentiere sollen alle kastriert, geimpft und entwurmt werden und an gesicherten Futterplätzen versorgt werden. Für Tiere, die nicht wieder auf die Straße können, versuchen wir, artgerechte Plätze zu finden“, führt die Nürnbergerin aus, die sich seit rund acht Jahren mit Mitstreiterinnen in Moldawien engagiert. Sie legt großen Wert darauf, dass es nicht das Ziel der Tiernothilfe ist, möglichst viele Hunde aus Moldawien herauszubekommen. „Es geht uns darum, den Tierschutzgedanken zu fördern. Das ist nicht so aussichtslos, wie es angesichts der Armut im Lande erscheinen mag. Vor allem junge Menschen zeigen sich aufgeschlossen. Zusammen versuchen die Tierschützer, die Behörden dazu zu bewegen, von großflächigen Vergiftungsaktionen abzusehen und das Todeslager aufzulösen. „Unser Ziel ist auch ein strenges Tierschutzgesetz in Moldawien durchzusetzen und Kinder über Tierschutz aufzuklären“, berichtet die Tierschützerin.
Moldawien ist zerrissen von inneren Konflikten, viele Menschen verlassen das Land aus Not, die Daheimgebliebenen leben am Existenzminimum. Für den Tierschutzgedanken hat man in Moldawien daher nur wenig Verständnis. Die deutschen Tierschützer hält man für verrückt und wirft ihnen Knüppel in den Weg. Natürlich kennt die Vereinsvorsitzende die Frage: Soll man in diesem bitterarmen Land nicht zuerst den Menschen helfen? Ihre Antwort darauf: „Die Menschen können sich selber helfen – die Tiere aber nicht!“ Olaf Eybe ist nach seinen Recherchen überzeugt, dass nur Hilfe zur Selbsthilfe der richtige Weg sein kann: „Die Tiernothilfe beschäftigt acht Pfleger sowie einen Tierarzt, schafft also Arbeitsplätze. Außerdem arbeiten die Aktivisten immer enger mit Gleichgesinnten in Moldawien zusammen. Nach und nach wächst die Akzeptanz in der Bevölkerung. Mittlerweile werden Tiere bei der Casa Katharina abgegeben und die Tierschützer erfahren, wenn Tötungsaktionen anstehen.“
Egal ob für Maßnahmen zur Aufklärung oder für den Unterhalt der Casa Katharina, die Tiernothilfe ist über den rund 130 Mitstreiter starken Mitgliederkreis hinaus auf Unterstützer angewiesen. „Die Tiere brauchen Futter, wir benötigen Sachspenden von Tierärzten in Deutschland. Auf unserer Website findet jeder, der helfen möchte weitere Informationen“, bringt es Andrea Fischbach auf den Punkt. „Auch ich bleibe an dem Thema dran, vielleicht können meine Bilder helfen und Menschen aufrütteln. Gerne helfe ich dem Verein auch mit Ideen zur Öffentlichkeitsarbeit, schließlich ist das mein Beruf“, blickt Olaf Eybe nach vorn und denkt über seine nächste Reise nach Moldawien nach. Dann scheint hoffentlich die Sonne bei den Hunden in Ciobanovca.
Wer die Tierhilfe zum Beispiel mit Patenschaften unterstützen möchte, findet alle notwendigen Informationen unter www.tierhilfe-casakatharina.com.
Geldspenden werden u.a. dringend benötigt für:
- den Unterhalt der Casa Katharina
- Futter
- Tierarzt- und Pflegerkosten
- Medikamente
- Transportkosten
- Hundehütten, Zwinger und den Ausbau einer Quarantänestation
- den Ausbau des OP-Saales
- die Versorgung von privaten Pflegestellen in Moldawien
- Operationskosten für Notfälle
Spendenkonto:
Tiernothilfe Casa Katharina e.V.
Sparkasse Nürnberg
BLZ: 760 501 01
Konto: 10 43 98 67
IBAN: DE10 7605 0101 0010 4398 67
SWIFT: SSKNDE77XXX
(Text +Fotos: Olaf Eybe / © 2015 Eybe + Eybe – Text + Foto, 03.05.2015)